Wie gut ist das neue elementary OS 6 im Alltagseinsatz? In diesem Beitrag fasse ich als Erfahrungsbericht zu elementary OS 6 meine Eindrücke nach gut drei Wochen mit eOS 6 Odin in der Praxis zusammen.
Tests und Beurteilungen der nach dem nordischen Gott Odin benannten neuen Version des elementaren Betriebssystems im Netz reichen von "gründlich missraten" bis "schöner als Windows 11". Hier versuche ich daher eine Einordnung aus der Perspektive eines alltäglichen Nutzers.
Rahmenbedingungen meines Erfahrungsberichts zu elementary OS 6
Linux nutze ich inzwischen seit gut 20 Jahren privat als primäres Betriebssystem auf Laptop und PC. Abgesehen von einigen Abstechern zu Manjaro, Fedora und openSuse hatte ich dabei ganz überwiegend Ubuntu und darauf basierende Distributionen im Einsatz, zuletzt vor allem längere Zeit Linux Mint und auch die Vorgängerversion von elementary OS mit Nummer 5.1. Im Beruf sind vom Arbeitgeber Windows-PCs und iPads vorgegeben, insofern sind mir auch diese Betriebssysteme einigermaßen vertraut.
Schreiben von Mails, Textverarbeitung und Browsen im weltweiten Netz prägen ganz überwiegend meine Zeit am Rechner. Gelegentlich kommen Medienkonsum und Spielen hinzu, seltener auch Java-Programmierung.
Kurz nach der Veröffentlichung Anfang August 2021 habe ich mir elementary OS 6 "Odin" heruntergeladen. Die Installation und ersten Einrichtungsschritten waren zeitnah bewältigt. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich eOS 6 für etwa drei Wochen auf einem Laptop und einem stationären PC als primäres Betriebssystem im Einsatz. Beide werden als Dualboot-Umgebungen mit Windows 10 genutzt, wobei letztes nur sehr selten zum Einsatz kommt, aber gelegentlich für bestimmte, nicht Linux-verfügbare Anwendungen doch noch benötigt wird.
Positiv
- Vor allem anderen ist bei den positiven Aspekten in diesem Erfahrungsbericht zu elementary OS 6 meiner Meinung nach das Erscheinungsbild zu nennen. elementary OS 6 wirkt elegant und optisch stimmig. Die transparente Leiste am oberen Bildschirmrand mit minimalistischen Symbolen sowie das schlanke Dock unten geben eOS 6 das Aussehen eines modernen Betriebssystems. Gegenüber der Vorgängerversion eOS 5.1 wirkt das Erscheinungsbild nochmal etwas polierter. Auch die Auswahl der Hintergrundbilder finde ich gelungen. Selbstverständlich ist das alles reine Geschmackssache.
- Durch das dunkle Thema und die Möglichkeit, die Akzentfarbe der Oberfläche nach den Farben des Hintergrundbilds bestimmen zu lassen, bietet eOS 6 im Hinblick auf den Nutzer-Geschmack einige Flexibilität. Die Möglichkeit, zwischen hellem und dunklem Stil automatisch nach Tageszeit zu wechseln, gefällt mir gut.
- elementary OS 6 ist im Alltagseinsatz intuitiv zu bedienen. Das Starten von Programmen, der Wechsel zwischen Arbeitsflächen und Fenstern sowie die Dateiverwaltung sind gut durchdacht. Nach etwas Eingewöhnung und Einarbeitung läuft das Arbeiten richtig flott.
- Durch den Ubuntu-Unterbau steht dessen großes Ökosystem zur Verfügung. Über zusätzliche Paketquellen lässt sich nahezu alles an Software installieren, was unter Linux verfügbar ist. Prima ist auch die bereits eingebaute Flatpak-Unterstützung. Neben dem Ubuntu-Universum lässt sich so auch über die Flathub-Seite Software finden und bequem einspielen.
- Aus dem im Punkt vorher genannten Grund, nämlich der Ubuntu-Basis, lassen sich Anleitungen und Hilfen aus diesem Universum in der Regel nutzen. Konkret waren und sind ubuntuuusers.de und linuxmintusers.de hilfreiche Anlaufstellen bei Fragen und Problemen auch mit eOS.
Negativ
- Ubuntu 20.04 als Basis ist inzwischen mehr als ein Jahr alt, und das macht sich natürlich auch bei der Softwareauswahl bemerkbar. Konkret betrifft das bei mir zum Beispiel LibreOffice, das "nur" in Version 6 vorliegt.
- Im Gegensatz zur Vorgängerversion elementary OS 5.1 hatte ich bei eOS 6 mit einigen Hardwareproblemen zu kämpfen. So führte die Installation der neuesten NVIDIA-Treiber mit meiner GeForce GTX 1060 dazu, dass das System nicht mehr nutzbar war. Abhilfe schaffte dann der Einsatz einer älteren NVIDIA-Treiber-Version. Glücklich ist das ohne Frage nicht. Auch das Tuxedo Control Center funktionierte auf meinem InfinityBook Pro zunächst nicht richtig, die Steuerung von Lüfter und Prozessor war nicht möglich. Dies konnte durch die Installation einer angepassten Kernel-Version aus den Repositorys von Tuxedocomputers behoben werden.
- Schade finde ich, dass das AppCenter von elementary OS 6 nur die "eigene" Software abbildet und weder die Installation von Anwendungen aus den Ubuntu-Repositorys noch von Flathub unterstützt.
- Die hauseigenen Anwendungen von elementary OS sind zwar schick anzusehen und simpel zu bedienen, aber gerade dies ist für mich an der ein oder anderen Stelle problematisch. Add-ons für den Browser gibt es nicht und auch keine Möglichkeit, im Mail-Programm überhaupt irgendetwas Zusätzliches zu konfigurieren. Konkret ging es mir um die per IMAP abonnierten Ordner und die Häufigkeit des Mail-Abrufs, welche sich im Mail-Programm von eOS nicht einstellen ließen.
- Mit zusätzlicher, nicht von elementary OS betreuter Software hatte ich bei eOS 6 mehr Probleme als in der Vorgängerversion. Grsync beispielsweise findet keine Netzwerklaufwerke mehr und sieht optisch 10 Jahre zurückkatapultiert aus, in Thunderbird sind markierte Mails so nicht erkennbar (offenbar ein Problem mit der Farbgebung des Systems) und auch die WireGuard-Einrichtung klappt nur über Umwege.
- Leider gibt es keine eigene deutschsprachige elementary OS-Community, ein Forum oder ähnliches, das man als zentrale Anlaufstelle für Hilfe nutzen könnte.
Persönliches Fazit zum Erfahrungsbericht mit elementary OS 6
Welches Resümee zieht also dieser Erfahrungsbericht zu elementary OS 6?
Rundum begeistert von eOS 6 bin ich nicht. Software wie Firefox, Thunderbird oder LibreOffice sind in anderen Distributionen optisch und funktional besser eingebunden und elementary OS 6 am PC fiel komplett aus nach der Installation aktueller Hardwaretreiber.
Trotzdem finde ich elementary OS 6 insgesamt so gut, dass es für die nächsten Wochen und Monate sicher mein Hauptbetriebssystem bleiben wird. Die positiven Aspekte überwiegen die Nachteile. Zentrale Pluspunkte sind für mich dabei das Look & Feel des Pantheon-Desktops und die ziemlich umfassende Verfügbarkeit von Anwendungen durch das Ubuntu-Ökosystem sowie die Flatpak-Unterstützung.